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Gisela Kayser und Katharina Mouratidi

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Mittel des Kirchlichen Entwicklungsdienstes durch Brot für die Welt – Evangelischer Entwicklungsdienst

Die Unbeugsamen

Vier Frauen in Kabul

Die Unbeugsamen

Vier Frauen in Kabul – ihr Alltag, ihr Kampf, ihre Träume

Als Afghanin auf eigenen Beinen zu stehen, war schon immer ein Kampf. Vier ganz unterschiedliche Frauen aus Kabul zeigen, dass es möglich ist. Doch seit 2014 der Abzug der internationalen Truppen begonnen hat, spüren sie noch deutlicher, wie fragil diese Eigenständigkeit ist. Die Taliban werden wieder stärker.

Warum vier Frauen und ihre Geschichten so viel über Afghanistan erzählen

Wie eine Fieberkurve sieht es aus: Das Auf und Ab der Frauenrechte in Afghanistan im 20. und frühen 21. Jahrhundert. Vieles spricht dafür, dass der Abzug der NATO-Truppen seit 2014 wieder einen Wendepunkt auf dieser Kurve markiert. „Die Unbeugsamen“ begleitet vier Frauen aus der Hauptstadt Kabul in dieser kritischen Zeit. Ihre Lebensgeschichten erzählen von hart erkämpften Erfolgen, täglichen Hindernisläufen und unvermittelten Nackenschlägen – und helfen, die jüngere Geschichte Afghanistans insgesamt besser zu verstehen.

Die Lage der Frauen zeigt die Lage der Nation

Die Situation der Afghaninnen ist ein Spiegel der radikalen politischen und gesellschaftlichen Veränderungen im Land: Von den Sowjets zu Arbeitskräften ausgebildet, von Mujaheddin und Taliban im Namen der Ehre unter die Burka verbannt, unter dem Schutz der NATO wieder gefördert. Was kommt als nächstes?

Größte Veränderungen in den Städten

Ob unter den Reformkönigen, in der Sowjet- oder in der NATO-Zeit: In den großen Städten haben die Frauen sich immer am weitreichendsten entfalten können. Würden wieder radikal-islamische Gesetze eingeführt, wären die Einschnitte für die Städterinnen besonders groß. Die Frauen in den ländlichen Gebieten, in traditionelle Strukturen eingebunden, haben weniger Veränderung erfahren und erleben die innere Zerrissenheit zwischen Selbstbestimmung und Rollenzuweisung nicht in gleichem Maße.

Frauenrechte als Entschuldigung für Einmischung

Die Situation der afghanischen Frauen wurde immer wieder herangezogen, um Einmischungen von außen zu rechtfertigen: So gaben die USA beim Sturz der Taliban als Ziel aus, den Afghaninnen grundlegende Freiheitsrechte und Bildung zu garantieren. Analog hatte Pakistan 1989 den Kampf der Mujaheddin gegen die Sowjets im Namen der Frauen unterstützt: Islamkonforme Vorschriften zu Kleidung und Lebensweise sollten ihre „verlorene Ehre“ wieder herstellen.

Eine neue Entwicklung hat bereits begonnen

2008 erreichte die Freiheit der Frauen in Kabul einen Höhepunkt. Als die NATO ankündigte, ihre Truppen ab 2014 abzuziehen, lag es nahe, dass dies einen erneuten Einschnitt bedeuten würde. Bereits ab 2010 geriet Afghanistan schrittweise aus dem Fokus der Weltpolitik. Die Konsequenz: Während die Frauen aus der Gesellschaft zurückgedrängt werden, erstarken die Taliban und andere konservative Gruppen wieder.

Die vier Unbeugsamen

22 bis 52 Jahre alt, stehen die vier UNBEUGSAMEN nicht nur für verschiedene Schichten und Berufe: Die unterschiedlichen Epochen, in denen sie aufgewachsen sind, haben sich je nach Alter und sozialem Hintergrund ganz unterschiedlich auf das Leben der Frauen ausgewirkt. Nur die Älteste der vier wurde in ein friedliches Land geboren. Seit fast 40 Jahren herrscht in Afghanistan Krieg.

Bäckerin Reza Guel (*ca. 1980) steht für über 70% der afghanischen Frauen: Als Analphabetin, früh verheiratet und siebenfache Mutter, darf sie nur deshalb arbeiten, weil ihr Mann opiumsüchtig ist und die Familie selbst nicht ernähren kann. Reza lebt seit ihrer Geburt in Kabul. Hier hat sie die Zeit der sowjetischen Besatzung und des darauffolgenden Guerillakriegs erlebt; das Taliban-Regime, aber auch die Bombenangriffe der Amerikaner nach dem 11. September 2001.

Sängerin Pari Ghulami (*1993) ist ein Star. Fast täglich kommen ihre Songs in Radio und Fernsehen. Die relativ sichere Zeit der NATO-Präsenz hat ihre Karriere möglich gemacht. Doch Popmusik gilt konservativen Afghanen als Sünde, Sängerinnen als „Huren“. Pari und ihr Vater erhalten regelmäßig Morddrohungen. Bis 2002 lebte Pari im Exil, die Taliban hat sie nicht miterlebt.

Shinkai Karokhail (*1963) gehört zu den 27% Frauen im afghanischen Parlament. Als Tochter eines Stammesführers ist sie in einem Afghanistan ohne Krieg aufgewachsen. Dann flüchtete die Familie vor den Sowjets. Karokhail vertritt ihre Positionen auch öffentlich mit Vehemenz – das trug ihr mehrfach Morddrohungen ein. Nach einem fehlgeschlagenen Attentat musste sie Afghanistan 2015 für mehrere Monate verlassen.

Saba Sahar (*ca. 1976) hat sich als Polizistin und Filmproduzentin gleich in zwei klassischen Männerdomänen durchgesetzt. Die junge Saba profitierte von der sowjetischen Ideologie, die Frauen als Arbeitskräfte gesellschaftlich einband und gut ausbildete. Vor dem Bürgerkrieg der Mujaheddin nach Pakistan geflohen, profitierte sie nach ihrer Rückkehr 2002 direkt von Förderungen der NATO-Streitkräfte und internationaler Organisationen.

Bäckerin Reza Guel (*ca. 1980) steht für über 70% der afghanischen Frauen: Als Analphabetin, früh verheiratet und siebenfache Mutter, darf sie nur deshalb arbeiten, weil ihr Mann opiumsüchtig ist und die Familie selbst nicht ernähren kann. Reza lebt seit ihrer Geburt in Kabul. Hier hat sie die Zeit der sowjetischen Besatzung und des darauffolgenden Guerillakriegs erlebt; das Taliban-Regime, aber auch die Bombenangriffe der Amerikaner nach dem 11. September 2001.

Sängerin Pari Ghulami (*1993) ist ein Star. Fast täglich kommen ihre Songs in Radio und Fernsehen. Die relativ sichere Zeit der NATO-Präsenz hat ihre Karriere möglich gemacht. Doch Popmusik gilt konservativen Afghanen als Sünde, Sängerinnen als „Huren“. Pari und ihr Vater erhalten regelmäßig Morddrohungen. Bis 2002 lebte Pari im Exil, die Taliban hat sie nicht miterlebt.

Shinkai Karokhail (*1963) gehört zu den 27% Frauen im afghanischen Parlament. Als Tochter eines Stammesführers ist sie in einem Afghanistan ohne Krieg aufgewachsen. Dann flüchtete die Familie vor den Sowjets. Karokhail vertritt ihre Positionen auch öffentlich mit Vehemenz – das trug ihr mehrfach Morddrohungen ein. Nach einem fehlgeschlagenen Attentat musste sie Afghanistan 2015 für mehrere Monate verlassen.

Saba Sahar (*ca. 1976) hat sich als Polizistin und Filmproduzentin gleich in zwei klassischen Männerdomänen durchgesetzt. Die junge Saba profitierte von der sowjetischen Ideologie, die Frauen als Arbeitskräfte gesellschaftlich einband und gut ausbildete. Vor dem Bürgerkrieg der Mujaheddin nach Pakistan geflohen, profitierte sie nach ihrer Rückkehr 2002 direkt von Förderungen der NATO-Streitkräfte und internationaler Organisationen.

Die Entwicklung der Frauenrechte: 100 Jahre Auf und Ab

Es ist ein immer noch weit verbreiteter Eindruck, erst der Eingriff der NATO-Truppen hätte den Afghaninnen Bildung und demokratische Grundrechte gebracht. Doch mal durch progressive eigene Regierungen, mal unter dem Schutz wechselnder fremder Mächte konnten sich Frauen schon früher mehrfach ausgebaute Rechte erkämpfen – nur um durch das jeweils nachfolgende Regime wieder um diese Errungenschaften gebracht zu werden.

Wird die Frauenrechte nach dem Truppenabzug erneut dieses Schicksal ereilen? Wie stabil, wie belastbar sind die aktuellen Errungenschaften? Die alten patriarchalischen Strukturen sind tief verankert, Afghanistan führt weiterhin den zweifelhaften Titel des „schlechtesten Landes, als Frau zu leben“. Erst im Frühling 2015 schockierte der Fall der 27-jährigen Farkhunda Malekzada, die mitten in Kabul von einem wütenden Mob mit Steinen, Knüppeln und Brettern erschlagen wurde, nachdem sie es gewagt hatte, einem Mullah zu widersprechen. Es waren keine religiösen Fanatiker, die diese Steine warfen: Es waren Männer in T-Shirts und Jeans, die die Szene mit ihren Smartphones filmten. Menschen mit Zugang zu Bildung und zum Internet. Wenn das die Mitte der afghanischen Gesellschaft darstellt, haben die Frauen allen Grund zur Sorge. Man muss kein Prophet sein, um vorauszusehen, dass die nächsten Jahre für sie ein harter Kampf werden. Alles wie immer also.

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Rezas Feuer

Hunderte Brote backt Reza jeden Tag im traditionellen Lehmofen. So finanziert sie ihre sieben Kinder – und die Opiumsucht ihres Mannes.

Unter Männern

Pari Ghulami ist ein Popstar und verdient gutes Geld. Doch für konservative Afghanen ist Popmusik Sünde.

Ständig Bedroht

Die Parlamentsabgeordnete Shinkai Karokhail vertritt ihre Positionen mit Nachdruck – als Frau nicht ungefährlich: 2015 scheiterten gleich zwei Attentate auf sie.

Mit klarem Blick

Sie ist eine permanente Provokation für Afghanistans Männer: Saba Sahar, Polizeidirektorin und Filmproduzentin. Eine Frau, die Befehle erteilt.

Zehn Stunden täglich über dem heißen Tandoor: Im Schneidersitz, den Rücken gekrümmt. Bäckerin Reza Guel arbeitet hart, um ihren Kindern eine bessere Bildung zu ermöglichen. Aber wie lange noch? Die neuerliche Stärkung der Taliban macht ihr Sorgen. Sollten die Radikalen wieder an die Macht kommen, befürchtet Reza, dass sie ihre Arbeit nicht mehr ausüben darf.

Eine Frau wie Reza – Analphabetin, mit 16 Jahren verheiratet, traditionelle Familienstruktur – erhält nur durch besondere Umstände die Möglichkeit, ihren Lebensunterhalt selbst zu bestreiten. Während des Bürgerkrieges in den 1990er­Jahren verlor Reza ihren ersten Mann, ihn hatte sie geliebt. Um die zwei Kinder aus dieser Ehe behalten zu können, musste sie daraufhin ihren Schwager heiraten. Dieser sorgte anfangs für die Familie, verfiel aber während eines Arbeitsaufenthaltes im Iran dem Opium. Heute wird er verspottet – weniger für seine Sucht als dafür, dass Reza an seiner Stelle die Familie ernährt.

Rezas Mann Abdul Jan (38) ist von Beruf Bauarbeiter, aber seit sieben Jahren arbeitslos. Die beiden sind seit 12 Jahren verheiratet und haben fünf gemeinsame Kinder.

Ein Stimmengewirr geht durch die kleine, verrauchte Hütte. Bis zu drei Stunden warten die Kundinnen auf ihr Brot. Für die Frauen ist die Backstube ein geschützter Raum, wo sie Dinge verhandeln, über die sie in der Gegenwart von Männern nicht sprechen können. Mal Klatsch und Tratsch, mal grundlegende Dinge des Frauseins. Etwa der Fall eines jungen Mädchens, das öffentlich gesteinigt wurde, nachdem sie vor der Zwangsheirat hatte flüchten wollen. Bei Reza dürfen die Frauen laut sein, sich aufregen – aber auch viel und herzhaft lachen. Und irgendwann ist dann auch das Brot fertig.

Reza at the bakery

Makroyan, wo Rezas Bäckerei steht, ist ein eher wohlhabender Stadtteil: Hier wohnen viele ehemalige Beamte und Funktionsträger aus der Zeit der Sowjetbesatzung. Reza selbst wohnt abgelegen in einer selbst gebauten Hütte auf dem Hügel Qalai Zaman Khan. Für ihren Arbeitsweg benötigt sie zu Fuß etwa eine Stunde pro Richtung.

Rezas Backstube hat sich in den letzten Jahren kaum verändert. Doch wenn die Taliban wieder an die Macht kommen, wird das auch auf diesen geschützten Raum Auswirkungen haben. Die Härte des Taliban-Regimes hat Reza einst am eigenen Leib zu spüren bekommen: Als angeblich einmal ihre Knöchel zu sehen waren, wurde sie zur Strafe mit einem Kabel verprügelt. Dass die Radikalen bereits wieder fast ein Drittel des Landes kontrollieren, ist in der Backstube ein emotional diskutiertes Dauerthema. Wird weibliche Arbeit wieder ganz verboten, drohen auch Rezas Bäckerei und der unbeschwerte Austausch der Frauen zu verschwinden. Reza will weitermachen. Sie muss.

Reza at the bakery

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Hochzeit in Kabul. Ein Saal mit 800 Männern. Die einzige Frau steht auf der Bühne. Pari Ghulami weiß um die Gefahren, in die sich begibt, wer in diesem Land als Frau eine Künstlerin sein will. Gut möglich, dass ihr öffentliche Auftritte schon bald nicht mehr möglich sein werden.

Pari und ihre Songs sind regelmäßig im Radio und im Fernsehen zu hören. Dazu kommen private Buchungen für Hochzeiten und Jubiläen: Bis zu 5000 US-Dollar erhält sie für einen solchen Exklusivauftritt. Damit ernährt sie die ganze, 12-köpfige Familie. Ihre Youtube-Videos haben bis zu einer Viertelmillion Klicks – in einem Land, wo der Zugang zum Internet im Wesentlichen noch auf die Städte beschränkt ist. Es läuft gut für Pari. Wenn nur dieses ständige Bedrohungen nicht wären.

This song is one of the few Pari sings in Dari, her mother tongue. In the lyrics, she and her lover dream of escaping together and leaving social boundaries behind.

Pari kann auf der Bühne nie ganz entspannt sein. Plötzlich könnte sie jemand aus dem Publikum angreifen. Einen großen Teil ihrer Gage gibt sie für Sicherheitspersonal aus. Denn viele Männer aus konservativeren Gesellschaftsschichten fürchten, Paris Erfolg könnte auch ihre eigenen Schwestern oder Töchter inspirieren, Sängerinnen werden zu wollen. Künstlerinnen aber sind in ihren Augen „Huren“. Das Eigentümliche: Dieselben Leute bilden im Kern das Publikum, das Paris Karriere trägt. Paris Lieder handeln von Liebenden, die nicht zusammen sein dürfen, von Sehnsucht und Verlangen. In Schichten, wo immer noch 80% der Ehen arrangiert werden, taugt das bei vielen zum Soundtrack des Lebens. Mit Pari träumen sie sich in eine Welt der Romantik und Leidenschaft.

Pari performing at a wedding

Manager Salim Shaheen hat von Anfang ein durchdachtes Marketing betrieben. Angefangen beim Künstlernamen: Pari heißt „Engel“ – schön, aber rein. Um ein größeres Publikum anzusprechen, singt Pari meist auf Paschto, der wichtigsten Sprache im Land. Sie selbst spricht Dari, eine Variante des Persischen. Viele der Texte, die sie singt, versteht sie nur bruchstückhaft.

Pari weiß, dass sie gefährlich lebt, aber auch, welches Glück sie hatte, als „NATO-Kind“ aufzuwachsen und eine Künstlerkarriere überhaupt verfolgen zu dürfen. Sollten die Taliban wieder stärker werden, wird Paris Anspannung auf der Bühne weiter zunehmen. Schon 2015 hat Pari auf die jüngeren Entwicklungen reagiert: Ihre Kleider sind länger und dunkler geworden, Security-Männer begleiten sie jetzt täglich, nicht mehr nur bei Auftritten. Was für ein Unterschied zum selbstbewussten, unbekümmerten Mädchen von 2011, das oft nicht einmal ein Kopftuch trug! Und während private Auftritte für Paris Familie lukrativ sind, ist Manager Shaheen wegen seiner Zusammenarbeit mit einer „dubiosen“ Künstlerin unter Druck geraten. Um seinen Ruf zu schützen, bucht er Pari nicht mehr für seine Filme.

Pari leaving her hosuse

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Afghanistan ein sicheres Land? – Shinkai Karokhail kann sich nur wundern, wie Teile der Weltöffentlichkeit die Situation in ihrer Heimat einschätzen. Zwar hat die NATO-Präsenz für eine Phase der relativen Sicherheit gesorgt, in der sich auch Frauen in vielen Gesellschaftsbereichen festsetzen konnten. Doch Shinkai ist sicher: Noch wäre Afghanistan auf internationale Unterstützung angewiesen; der 2014 begonnene Truppenabzug wird gerade die Frauen wieder zurückwerfen.

Eine Konferenz in Berlin im November 2015. Shinkai Karokhail ist eine der Referentinnen, das Thema: Frauenquoten in Afghanistan und Pakistan. Doch mindestens genauso emotional diskutiert wird die Äußerung des deutschen Innenministers Thomas de Maizière, die Afghaninnen und Afghanen mögen doch in ihrem Land bleiben, nachdem der Westen dort so viel in die Sicherheit investiert habe. Wie gefährlich vor allem berufstätige Frauen nach wie vor leben, hat Shinkai selbst erfahren: Sie musste 2015 nach gleich zwei gescheiterten Attentaten drei Monate außer Landes gebracht werden.

Shinkai at a conference

Seit 2005 sitzt Shinkai Karokhail in der Wolesi Jirga, Afghanistans Unterhaus. Sie muss sich mit kleinen Erfolgen zufrieden geben. Der Kampf gegen Korruption erscheint endlos, richtig frustrierend wird es bei den Frauenrechten: Mit Gleichgesinnten hat sie schon mehrere Vorstöße lanciert, Gewalt gegen Frauen offiziell zu ächten und die Möglichkeiten ihrer Entrechtung einzudämmen. Ohne Erfolg. So bleibt ihr, im Haushaltsausschuss dafür zu sorgen, dass Geld in Bildungsprojekte fließt – für Männer und Frauen.

Shinkai filmed infront of her house

Shinkai Karokhail wird 1963 als Kind eines Stammesführers und Grundbesitzers geboren. Ihr Vater erntet heftige Kritik dafür, dass er auch seine Töchter fördert und zur Schule schickt. Für Shinkais Familie ist die sowjetische Besatzung ab 1979 ein negativer Einschnitt, sie flieht nach Pakistan. Im Exil macht Shinkai Abitur, studiert Englisch und Medizin. 2002 kehrt sie nach Afghanistan zurück.

Zu den kommenden Parlamentswahlen wird Shinkai wohl nicht mehr antreten. Nach einer Krebserkrankung will sie ein spezialisiertes Behandlungszentrum aufbauen – das erste in Afghanistan. Zudem wird es immer gefährlicher, als Frau in der Öffentlichkeit zu stehen. Für Shinkai ist klar: Anschläge wie den auf sie selbst wird es wieder mehr geben. Je weniger präsent die internationalen Truppen sind, desto mehr werden sich nicht nur die Taliban, sondern auch Daesh (IS), Al-Qaida und die alten, international fast vergessenen Warlords wieder ausbreiten. Dass diese Entwicklung verstärkt zu Fluchtbewegungen führt, wundert Shinkai nicht. Und wie so oft sind es die Vermögenden und die Gebildeten, die fliehen.

Street football

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Dreh für eine Krimiserie in Kabul. Überall Männer in Uniform. Aber das Sagen hat hier offensichtlich eine Frau. Laut und deutlich erteilt Saba Sahar ihre Anweisungen. Sie weiß sehr genau, wovon sie spricht: Wenn sie nicht gerade Filme produziert, ist Saba Direktorin bei der Kabuler Kriminalpolizei.

Als Heranwachsende profitiert Saba Sahar vom sowjetischen Einfluss: Sie geht zur Schule, spielt Theater und wird zur Polizistin ausgebildet. Im Video wird sie als Polizeibeamtin vereidigt. Kurz darauf beginnt der Bürgerkrieg, der sich auch mitten durch ihre Familie zieht.

Auch die durchsetzungsstarke Saba Sahar ist nicht von Schicksalsschlägen verschont geblieben, wie sie für die Frauen ihrer Generation typisch sind. Mit 16 Jahren wird sie mit einem Mujahid verheiratet, der gegen die Russen kämpft und sich gegen Sabas Karriere stellt. Als es zur Trennung kommt, nimmt er die drei Kinder mit. Saba hat sie bis heute nicht mehr gesehen. Mit dem Abzug der Sowjets dreht sich der Wind gegen berufstätige Frauen: Saba schlägt sich noch als Friseurin und Kosmetikerin durch, dann flieht sie nach Pakistan. Erst 2002 kehrt sie zurück.

Saba Sahar in her studio

Sabas Krimireihe „Kommissar Amanullah“ soll auf unterhaltende Weise das Bewusstsein der Afghan/innen für Recht, Ordnung und staatliche Institutionen schärfen. Sie wurde von den europäischen Polizeitruppen in Afghanistan (EUPOL) sowie der deutschen GIZ gefördert. Es brauche noch viel Aufklärung, seufzt Saba. Viel zu sehr werde der Rechtsstaat von Korruption und Vetternwirtschaft verwässert. Die Polizei kämpft täglich mit Problemen, ihre Autorität durchzusetzen, immer wieder kommen Beamte im Einsatz um. Frauen leben dabei besonders gefährlich. Manchmal sieht auch Saba keinen Sinn mehr, solche Risiken auf sich zu nehmen. Zu wenig bewegt sich. Doch mit einer Kündigung würde sie ihre gesamte staatliche Rente verlieren.

Saba Sahar in her home

Emal Zaki, der die Hauptrolle in „Kommissar Amanullah“ gespielt hat, ist jetzt auch privat Sabas Partner: Gegen alle Konventionen haben die beiden geheiratet und 2015 zusammen Zwillinge bekommen.

2015 war beruflich kein gutes Jahr für Saba Sahar. Ohne das Großprojekt Kommissar Amanullah und die internationalen Fördergelder ist die Auftragslage so zusammengebrochen, dass sie ihre Produktionsfirma schließen musste – „vorübergehend“, wie Saba sagt. Jetzt hat sie viel Zeit, ist oft zu Hause und spielt mit den neugeborenen Zwillingen. Die sanfte Mutter Saba – ein ungewohntes Bild, wenn man sie einmal bei der Arbeit erlebt hat. Doch die Familie ist momentan ihr einziges Glück.

Saba Sahar in her home

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